Berichte von 06/2016

23Juni
2016

Ein Tag in Tansania

7:30 Joggen oder Frühsport

Da es zunehmend heißer wird und wir uns in der Trockenperiode befinden, ist es sinnvoll sportliche Aktivitäten auch mal in die Morgenstunden zu verlegen. Also: früh aufstehen und ein paar Übungen im Garten machen oder eine Runde joggen. Die Joggingstrecke ist dabei wohl einmalig. Zwischen Holzhütten und lodernden Müllhaufen laufen wir auf steinigen, sandigen und unebenen Straßen. Neugierige Blicke, der Blick auf den Viktoriasee und Wassergräben begleiten uns.

8:30 kalte Dusche und Frühstück

Wir können froh über fließendes Wasser sein und bei täglichen Temperaturen von über 30 Grad ist eine kalte Dusche nach einiger Zeit keine Strafe mehr. Das Frühstück gestalten wir einigermaßen europäisch. Entweder Cornflakes oder Weißbrot. Wurst und Käse sucht man hier allerdings vergebens.

9:00 Besuch einer disabled school

Der Spaß am Sport und an Bewegung soll alle Personengruppen erreichen. Aus diesem Grund besuchen wir regelmäßig disabled schools um dort kleine Spiele zu veranstalten. Die Freude der Kinder ist dabei immer riesig. Oft reicht es den Kindern Leibchen zu geben und einen Ball in die Mitte zu schießen um den Kindern ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Die disabled schools sind an öffentliche Schulen angeschlossen, sodass auch viele andere Kinder vor Ort sind. Oftmals dauert es dann nicht lange, bis wir von einer Schar von Kindern umgeben sind, welche uns Weiße mit strahlenden Augen angucken und unbedingt unsere Haare anfassen wollen.

12:00 Office-Work

Jeden Tag müssen natürlich auch Projekte geplant, Meetings abgehalten und Trainings vorbereitet werden. Das alles wird per Home-Office in unserem Freiwilligenhaus erledigt. Auch die Buchhaltung, für die ich verantwortlich bin, nimmt hierbei einige Zeit in Anspruch.

15:30 Training

Nahezu jeden Nachmittag führen wir Trainingseinheiten in einer unserer Akademien durch. Am häufigsten trainiere ich dabei die U13-, U17- und Mädchenmannschaften. Die Organisation und Gestaltung der Trainingseinheiten in Tansania ist nicht immer ganz einfach und nicht mit den Gegebenheiten und Normen in Deutschland vergleichbar. Wie eine Trainingseinheit im Einzelnen aussieht, dazu werde ich bald einen eigenen Artikel schreiben.

19:00 Was gibt’s zu essen?

Jeden Tag stehen wir vor der gleichen Herausforderung: Was wird gekocht? Die Auswahl hier ist leider nicht sehr groß, sodass es meist auf Reis, Bohnen und Fisch oder Fleisch hinausläuft. Auch Spaghetti mit Tomatensauce und Gemüse gibt’s mindestens einmal in der Woche. Ab und zu bestellen wir auch Chapati. Das ist eine Art herzhafter Eierkuchen, welchen man prima als Wrap verwenden kann.

 

22:00 Europameisterschaft

Auch hier in Tansania verfolgen wir derzeit natürlich gespannt die Europameisterschaft. Das Abendspiel beginnt um 22 Uhr unserer Zeit, sodass wir häufig bei uns um die Ecke in einem Restaurant die Spiele gucken.

06Juni
2016

Aus FC Mwanza wird SC Mwanza

Die Football Charity Mwanza, für die ich arbeite, besteht seit dem Jahre 2014 und konnte seitdem viele Kinder und Jugendliche in Mwanza erreichen und ihnen Hilfestellungen im sportlichen und ideellen Sinne geben. Zahlreiche Freiwillige führten Trainingseinheiten durch, stellten Bälle, Schuhe und Trainingskleidung bereit und schulten Trainer. Durch dieses Engagement ist es gelungen eine Bindung zu den Kindern und Verantwortlichen aufzubauen, sodass eine längerfristige Zusammenarbeit gewährleistet werden kann. Nun ist man an einem Punkt angekommen, welcher weiterführende Schritte erfordert. Zurzeit befindet sich die Charity in einer strategischen Phase und forciert eine Art Umstrukturierung, oder besser: Weiterentwicklung. Zukünftig sollen neben Fußball auch andere Sportarten wie Basketball, Volleyball und Netball in der Region Mwanza gefördert werden. Die Football Charity Mwanza wird somit zur Sports Charity Mwanza.

Unsere neue Webseite findet ihr hier: http://scmwanza.org

Als großes und längerfristiges Projekt steht der Bau und die Renovierung von entsprechenden Sportplätzen an. Viele Plätze sind hier in einem schlechten Zustand – Hügel, Löcher oder sogar Bäume behindern das Spiel. Ganz abgesehen davon, dass die Verletzungsgefahr erhöht ist. Im ersten Schritt wird evaluiert, an welchen Orten Plätze für welche Sportarten vorhanden sind und wo es Möglichkeiten für Neubauten gibt. Im Idealfall sollen Fußball-, Basketball-, Volleyball- und Netball-Plätze gebündelt in kleinen Centers entstehen. Die Prämisse für den Bau der Sportplätze ist ganz klar, dass die Plätze einerseits eine lange Haltbarkeit aufweisen müssen, andererseits so kostengünstig wie möglich gebaut werden sollen. Schließlich soll mit dem begrenzten Kapital keine hochmoderne Sportanlage gebaut werden, sondern es sollen möglichst viele Plätze entstehen, sodass viele Kinder und Jugendliche einen Ort zum Sporttreiben erhalten. Das zweite derzeit große Projekt ist die Planung eines sich über zwei Wochenenden erstreckenden Sportevents. Im Stadion von Mwanza wollen wir über vier Tage Turniere in Fußball, Basketball, Volleyball und Netball organisieren und mithilfe dessen und einem entsprechenden Rahmenprogramm die Charity weiter in der Stadt verankern und gleichzeitig auf die Attraktivität der Sportarten aufmerksam machen. Der Ursprung der Idee eines solchen Turniers ist ein besonderes Jubiläum. Seit nun genau 50 Jahren besteht eine Städtepartnerschaft zwischen Mwanza und der Heimatstadt unserer Charity – Würzburg.

 

Derzeit sind die Planung und Umsetzung der Baumaßnahmen für neue Sportfelder und die Planung des Turniers meine Haupttätigkeitsbereiche. Zurzeit befinden wir uns in der Planungsphase, welche das Zusammentragen aller potentiellen Flächen beinhaltet. Darüber hinaus stehen Überlegungen an, wie die Plätze möglichst kostengünstig gebaut werden können, welche Materialien und Maschinen benötigt werden und wie die Kosten möglichst gering gehalten werden. Daher stehen auch einige Gespräche mit der Stadtverwaltung und Experten der jeweiligen Sportarten in der Region Mwanza an. Da in Tansania alles etwas langsamer geht, ist eine solche Umsetzung nicht immer einfach und vermutlich mit mehr Zeitaufwand verbunden als anderswo. Trotzdem möchte ich in meiner Zeit hier in Mwanza zumindest den Grundstein für den Bau neuer Plätze legen. Die Planung des Turniers ist ebenfalls sehr zeitintensiv, denn dieses Turnier soll ein für die Region einzigartiges Event mit Festivalcharakter und medialer Begleitung werden. Von daher ist viel organisatorische Arbeit, finanzielle Kalkulation inklusive Sponsorensuche in Deutschland und vor Ort und Kreativität vonnöten um ein solches Projekt gemeinsam auf die Beine zu stellen.

Neben diesen Projekten steht nach wie vor das tägliche „Kerngeschäft“ auf dem Programm. Wir unterstützen derzeit drei Fußballakademien bei der Trainingsarbeit. In den Altersgruppen von 8-23 ist alles dabei. Die Kinder und Trainer freuen sich immer, wenn wir vorbei schauen. Je nach Verfügbarkeit unterstützen wir die Akademien auch mit Spenden. Nachdem in der Vergangenheit hauptsächlich Trainingsmaterialien und Schuhe gespendet wurden, fokussieren wir uns nun auf Bälle, denn mit einem Ball können mehr Kinder spielen als mit einem Paar Schuhe. Die Akademien in Mwanza sind keine Vereine wie wir sie in Deutschland kennen, sondern reine Nachwuchsförderungen. Das ist nötig, da alle Vereine der Tanzanian Premier League über keine Jugendteams verfügen. Die Nachhaltigkeit der Investitionen in die Jugendarbeit sehen die Verantwortlichen hier nicht. Unser langfristiges Ziel ist es Vereine und Clubs in Tansania zu haben, welche sowohl über Jugend- als auch über Erwachsenenmannschaften verfügen.

Auch in Waisenhäusern, Disabled Schools und anderen Einrichtungen führen wir regelmäßig kleine Trainings- oder Spieleinheiten durch um den Kindern mit sportlichen Aktivitäten Freude zu machen und ihnen Perspektiven aufzuzeigen.

Wie bereits erwähnt wird nun auch der Kontakt zu Vereinen anderer Sportarten intensiver. Auch wenn wir zurzeit drei Fußballer sind, konnten schon Fitnesseinheiten mit den Basketballern durchgeführt werden und Gespräche über die bisherigen Strukturen und die künftige Zusammenarbeit mit den Volleyballern und Netbalern der Region geführt werden. Geplant ist schließlich, dass wir zukünftig Freiwillige für alle vier Sportarten vor Ort haben.

 

Für die erfolgreiche Durchführung aller Projekte ist die Charity auf Spenden angewiesen. Wir Freiwillige arbeiten alle ehrenamtlich und bezahlen alle individuell entstehenden Kosten selbst. Der Grundsatz der Charity besteht schließlich darin, dass 100% der Spenden bei den Kindern ankommen. Bei vielen Organisationen weiß man nie so genau, was mit der eigenen Spende passiert – hier wird auf Transparenz gesetzt, sodass wirklich dort geholfen werden kann, wo Hilfe benötigt wird. Wir sind davon überzeugt, dass der Sport einen wichtigen Beitrag für die Lebensfreude, das Verantwortungsbewusstsein und die Teamfähigkeit der Kinder und Jugendlichen leisten kann. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass sie die entsprechende Möglichkeit haben auf ordentlichen Plätzen und mit erfahrenen Trainern ihren Sport auszuüben um sich zu bewegen, Erfolge zu feiern und mit Niederlagen umgehen zu können. Ich würde mich freuen, wenn auch der eine oder andere von euch sich dazu bereit erklärt für einen Ball, einen Sportplatz oder weitere Aktivitäten der Charity zu Spenden. Jeder gespendete Euro hilft in Tansania mehr, als er euch weh tut ;-) Natürlich gibt es für eine Spende auch eine Spendenquittung, welche bei der Steuererklärung eingereicht werden kann.

 

Spendenkonto

Mwanza e.V.

Betreff: Sports Charity Mwanza + Ball, Sportplatz oder Charity

VR-Bank Würzburg

IBAN: DE14 7909 0000 0005 2143 00

BIC: GENODEF1WU1

 

01Juni
2016

Mein Leben im Slum

Nun komme ich einmal dazu zu berichten, wie mein alltägliches Leben und mein Umfeld in Mwanza aussehen. Mwanza ist die zweitgrößte Stadt Tansanias und liegt direkt am Viktoriasee. In einem Slum, etwa 5 km. vom Stadtzentrum entfernt, lebe ich in einem Freiwilligenhaus. Nach europäischem Standard würde ich sagen, haben wir ein sehr einfaches Haus. Für hiesige Verhältnisse leben wir aber im Luxus. Fließend Wasser und geflieste Böden wie wir es haben, gehören hier nicht zum Standard. Derzeit sind wir hier drei Freiwillige. Hinzu kommen unsere „Mama“ und ihre Familie, welche regelmäßig im Haus sind. Damit wir uns voll und ganz auf unsere Arbeit konzentrieren können und der Haushalt unter unserer Männerwirtschaft nicht leiden muss, kümmern sich hauptsächlich Mama und ihr Sohn Kiba um den Haushalt und den Garten. Aus Dankbarkeit für den Job und die Unterstützung der Familie durch die Charity wurde Jürgen, dem Gründer unserer Charity eine besondere Ehre zuteil. Eines der beiden jüngsten Mitglieder der Familie, Mamas Enkel und Zwillinge, wurde nach unserem Gründer benannt – Jürgen. Ein nicht ganz typischer Name in Tansania.

Mama ist 54 Jahre alt und überall in der Umgebung bekannt und respektiert. Neben der Fürsorge für uns und ihre Familie setzt sie sich außerdem unter anderem für Straßenkinder ein, sammelt Bücher für sie und führt verschiedene Projekte mit ihnen durch. Die Kommunikation ist nicht immer einfach, da Mama nur Swaheli spricht, aber wir haben inzwischen auch schon die wichtigsten Wörter gelernt und so weiß man letzten Endes doch immer was der andere meint.

Kiba ist 19 Jahre alt und genau wie der Rest der Familie kein Angestellter sondern vielmehr ein Freund. Kiba ist ein typisches Beispiel für einen Jugendlichen in Tansania. Er hat Mwanza in seinen 19 Lebensjahren noch nie verlassen, ist fertig mit der Schule, hat keinen Job aber dafür große Träume. Soldat möchte er werden oder in einer Goldmine arbeiten -  wie sein Vater. Das Dilemma ist jedoch, dass es nur wenige Arbeitsplätze und noch weniger Geld für mögliche Ausbildungen gibt. Zeitweise arbeitet er auf dem Bau und erhält dafür einen Tageslohn von etwa 2€. Fast die Hälfte davon braucht er allein für die Fahrt zur Arbeit und die dortige Verpflegung. Man erlebt Kiba aber niemals unzufrieden und wenn es um Fußball geht, ist er voll in seinem Element. Mehrmals die Woche spielt er mit seinen Freunden und mit seinem Wissen über das aktuelle Geschehen im Weltfußball kann ihm kaum einer was vormachen.

Wenn wir in Mwanza unterwegs sind, wird uns oft „Muzungu, Muzungu“ hinterher gerufen. Muzungu ist das Wort für Menschen mit weißer Hautfarbe. Da man natürlich auffällt, wird man oft angesprochen, aber fast immer im positiven Sinne. Oftmals lassen kleine Kinder auch alles stehen und liegen wenn sie uns sehen, gucken uns mit großen Augen an und sagen „How are you? I’m fine“. Auch wenn wir Freiwillige uns als Teil unseres Viertels fühlen, wird uns tagtäglich durch zahlreiche Bevorzugungen, erhöhte Aufmerksamkeit und – seltener- Benachteiligungen bewusst, dass wir anders aussehen bzw. eine andere Hautfarbe haben. Hier bekommt man ein Gefühl dafür, wie sich Personen fühlen können, welche äußerlich nicht unter die Bezeichnung „Durchschnitt“ oder „normal“ fallen.

 

Während bei uns in Deutschland die kleinen „Tante-Emma-Läden“ nahezu ausgestorben sind, findet man hier an jeder Ecke und in jeder noch so abgelegenen Straße kleine Läden um sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Aber auch hier sieht man trotz der einfachen Lebensbedingungen mehr und mehr den Einfluss des Westens. In Mwanza wurde beispielsweise vor kurzem ein großes Einkaufszentrum gebaut. Zwar hat derzeit nur ein Laden geöffnet, aber in diesem hat man ein riesiges Angebot an Waren. Nimmt dieser Trend weiter zu und können die Waren in den großen Einkaufszentren günstig angeboten werden, wird es verdammt schwer für jene Menschen, deren Existenz von ihrem Laden abhängt.

 

Dazu kommt, dass viele Einheimische scheinbar unter chronischen Geldproblemen leiden. Selbst bei unseren Freunden und Vertrauten ist es keine Seltenheit, dass sie uns nach Geld fragen. Schließlich ist es hier normal, dass die Familie sich gegenseitig unterstützt und man Freunde und Bekannte fragt, falls es mal eng wird. Aufgrund dieses großen Familienzusammenhalts kommt aber doch irgendwie jeder über die Runden.  Eine positive Eigenschaft zu anderen Kulturen ist bei den Tansaniern, dass sie so gut wie nie negativ reagieren, falls man Anfragen jeglicher Art ablehnt. Auch beim Thema Geld lässt sich wieder ein nur schwer nachvollziehbarer Gegensatz finden. Trotz chronischer Klammheit besitzen sehr viele Tansanier zwei Handys – ein Smartphone und ein Tastentelefon.

 

An dieser Stelle möchte ich einmal deutlich machen, dass alle meine Schilderungen rein subjektiv sind und auf meinen persönlichen Erfahrungen und Ansichten beruhen. Ich erhebe also keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit.